Andreas Manz (Switzerland), winner of the European Inventor Award 2015 in the Lifetime Achievement category, at the ceremony at the Palais Brongniarton 11 June 2015. Bildequelle: Europäisches Patentamt
Im Herzen von Paris hat das EPA heute den Europäischen Erfinderpreis 2015 verliehen. Die prestigeträchtige Auszeichnung würdigt herausragende Erfinder, die mit ihren Arbeiten einen außerordentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fortschritt geleistet haben. 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft kamen zur feierlichen Preisverleihung ins Palais Brongniart, dem symbolträchtigen Gebäude und Sitz der historischen Börse in Paris.
Die international hochkarätig besetzte Fachjury hatte aus mehr als 300 vorgeschlagenen Einzelerfindern und Erfinderteams 15 Finalisten für den Preis ausgewählt.
Andreas Manz (Schweiz) wurde für die Erfindung der Chiplabortechnologie ausgezeichnet. Dank seiner Arbeit lassen sich komplexe medizinische, biologische oder chemische Analysen heute auf nur wenigen Millimeter großen Mikrochips schnell und effizient durchführen. Der Pionier auf dem Forschungsgebiet der Mikrofluidik hat damit den Weg geebnet für eine Point-of-Care-Diagnostik, die heute weltweit zur Anwendung kommt. Eine bahnbrechende Variante des Chiplabors von Manz ist dessen Nutzung als DNA-Schnelltest zur Prävention von Erbkrankheiten.
Manz entwickelte die Technologie zunächst als Antwort auf eine Umweltkatastrophe: Als nach dem Brand in der Sandoz-Chemiefabrik in Schweizerhalle BL im Jahre 1986 Giftstoffe in den Rhein gelangten, erfand er ein System, das Wasserproben ohne Laboraufwand schnell analysieren konnte.
Medizinische, biologische oder chemische Analysen in Millimeter kleinen Mikrolaboren so durchzuführen, dass sie innerhalb von Sekunden Ergebnisse liefern – dank des Erfindungsreichtums des Schweizer Wissenschaftlers Andreas Manz ist dies heute Realität. Der promovierte Chemiker gilt als Pionier auf dem Forschungsgebiet der Mikrofluidik und geistiger Vater der Chiplabor-Technologie, mit der sich Laborprozesse im Miniaturformat auf einem winzigen Träger durchführen lassen. Manz hat mit seiner Erfindung eine technologische Revolution losgetreten, deren Folgeentwicklungen heute weltweit zum Einsatz kommen, beispielsweise in Forschungseinrichtungen, wo Lab on a Chip-Systeme in der Gen- und Zellanalyse breite Anwendung finden, oder in modernen Glucose-Messeinheiten, die Diabetikern den Alltag erleichtern. Nicht weniger bahnbrechend ist die Nutzung der Technologie für Schnelltests zur Prävention von Erbkrankheiten per USB-Stick.
„Andreas Manz hat dank seines Ideenreichtums den Weg für einen tiefgreifenden technischen Fortschritt geebnet», sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2015. „Er hat entscheidenden Anteil daran, dass wir heute immer mehr Anwendungen nutzen können, die Krankheiten schneller und kostengünstiger erkennen. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für die frühzeitige Therapie und Prävention von Erkrankungen.»
Für diese Leistung hat das Europäische Patentamt (EPA) Andreas Manz als einen von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie „Lebenswerk» nominiert. Dieser prestigeträchtige Innovationspreis wird am 11. Juni in Paris verliehen.
Von der Fliege zum Mikrolabor
Bereits in seiner Kindheit war der Chemiker davon fasziniert, wie die Natur im mikroskopisch kleinen Bereich ein größtmögliches Maß an Effizienz erreicht: Das komplexe Verhaltensrepertoire sowie Form und Funktion von Insekten begeisterten Manz so sehr, dass er zeitlebens daraus Ideen für Miniatur-Analysesysteme schöpfte. Dabei sah er im Verhalten kleiner Mengen von Flüssigkeit auf engstem Raum (Mikrofluidik) einen Schlüssel zu schnelleren und noch kleineren Anwendungen.
Das akademische Fundament für die Umsetzung dieses Grundgedankens legte Manz während seines Chemiestudiums an der ETH Zürich. Der technologische Durchbruch gelang ihm, nachdem er seinen Doktortitel abgeschlossen und als Forscher bei Ciba-Geigy (heute Novartis) begonnen hatte, wo er 1990 das erste miniaturisierte Gesamtanalysesystem (μTAS) entwickelte.
Seinerzeit bedeutete dies eine technologische Sensation, denn auf dem nur wenige Millimeter großen „Chiplabor», für welches Manz bereits existierende Mikrochiptechnik aus der Mikroelektronik mit chemischen Trenn-und Nachweisverfahren (Elektrophorese, Fluoreszenz) verbunden hatte, war erstmals eine ganze Sequenz von Laborprozessen auf einem Chip untergebracht. Mit Hilfe des Geräts ließ sich beispielsweise ein kleiner Tropfen Blut in Sekundenschnelle analysieren – ein zuvor undenkbarer Schritt. Heute gewinnt man dank der Manz‘schen Innovation Informationen aus medizinischen oder biochemischen Analysen bereits 100mal schneller als zuvor, künftig erscheint sogar der Faktor 10000 möglich.
Das Chiplabor (lab-on-a-chip) des Schweizers gilt inzwischen als Synonym für die fortschreitende Miniaturisierung von Analyse-Systemen und Mikrochips mit integrierten Pumpen, Ventilen und Kanälen. Dem Markt der Chiplabortechnologie wird laut einem Marktbericht von 2011 ein Volumen von 7,8 Milliarden Euro bis 2016 prognostiziert. Einem Bericht von 2014 zufolge wird dieser Markt zwischen 2014 und 2019 um 18 Prozent wachsen.
Kleinformatige Analysegeräte für Regionen ohne medizinische Infrastruktur
Die Mikrolabortechnik hat das Potential, in Gegenden mit geringen medizinischen Ressourcen und schlecht ausgestatteten Kliniken schnelle Point-of-Care-Diagnosen vor Ort zu ermöglichen. Diese könnten Millionen von Menschen das Leben retten, weil sich mit ihrer Hilfe Pandemien oder Volkskrankheiten frühzeitig und sogar präventiv bekämpfen ließen. Auf Grundlage der Manz‘schen Technologie befinden sich gegenwärtig zum Beispiel Mikrosysteme für die Frühdiagnose von HIV-Infektionen, Malaria, dem Dengue-Fieber oder Erbkrankheiten in der Entwicklung.
Schillernder Erfinder und Forscher
Manz, heute Mitarbeiter des Korea Institute of Science and Technology in Saarbrücken (KIST Europe) und Professor an der Universität des Saarlandes, blickt auf eine lange Karriere als Forscher zurück: Nach Stationen im Forschungslabor von Hitachi in Japan und der Tätigkeit bei Ciba-Geigy nahm er eine Professur am Imperial College in London an, wo er das Zeneca-SmithKline Beecham Centre for Analytical Chemistry leitete. Währenddessen war er zudem als wissenschaftlicher Berater für drei Unternehmen aus der Chiplabortechnologie tätig, von denen er eines selbst gegründet hatte. Im Jahr 2003 wechselte Manz nach Deutschland und leitete bis 2008 das Deutsche Institut für analytische Wissenschaften (ISAS) in Dortmund.
Im Laufe seiner Karriere verfolgte Manz hoch innovative Ideen, wie etwa die Entwicklung von Analysetechniken, welche Van-de-Graaff-Generatoren mit mikrofluidischen Systemen verbinden. Sein Erfindungsreichtum ist in rund 40 Patenten dokumentiert, die im Wesentlichen auf ihn zurückgehen, und schlug sich auch in mehr als 250 wissenschaftlichen Publikationen nieder – unter anderem in einer bahnbrechenden Abhandlung zum neuen Konzept der chemischen Gesamtanalysesysteme:
„Im Mikrometer-Bereich funktioniert Chemie am schnellsten und effizientesten», so Manz. „Deshalb hat die Natur diesen Maßstab für die Zellen in unserem Körper gewählt.»
Quelle:
Europäisches Patentamt
http://www.epo.org/news-issues/press/releases/archive/2015/20150421m_de.html
https://www.epo.org/news-issues/news/2015/20150611_de.html
Selected Publications:
- Concomitant detection of CYP1A1 enzymatic activity and CYP1A1 protein in individual cells of a human urothelial cell line using a bilayer microfluidic device, C.A.Schumann, A.Dörrenhaus, J.Franzke, P.Lampen, P.S.Dittrich, A.Manz, P.H.Roos, Anal Bioanal Chem. 392, 1159-1166 (2008)
- On-chip extrusion of lipid vesicles and tubes through microsized apertures, P.S.Dittrich, M.Heule, P.Renaud, A.Manz, Lab Chip 6, 488-493 (2006)
- Isotachophoresis in free-flow using a miniaturized device, D.Janasek, M.Schilling, J.Franzke, A.Manz, Anal.Chem. 78, 3815-3819 (2006)
- Chemical amplification: Continuous-flow PCR chip, M.U.Kopp, A.J.de Mello, A.Manz, Science 280, 1046-1048 (1998)
- Micromachining a Miniaturized Capillary Electrophoresis Based Chemical Analysis System on a Chip, D.J.Harrison, K.Flury, K.Seiler, Z.Fan, C.S.Effenhauser, A.Manz, Science 261, 895-897 (1993)