Kaum klingt hierzulande Corona ab, leben wir wieder auf Kosten der Umwelt und zukünftiger Generationen. Seit dem Erdüberlastungstag vom 5. Mai verbrauchen wir wieder mehr Ressourcen als unsere Erde regenerieren kann. Weiter gehen Klimawandel und Artensterben. Wir zerstören unsere Lebensgrundlagen und reagieren mit Konzepten wie der Energiewende nicht entschieden genug.
Ressourcenverbrauch und Wohlstand in Einklang zu bringen, bleibt die entscheidende Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Mit heutigen Produktionsweisen können die materiellen Bedürfnisse zukünftiger Generationen nicht gerecht befriedigt werden. »Die Digitale Transformation der Produktion, die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 bereits weit fortgeschritten ist, reicht nicht aus, um die essenziellen Herausforderungen der Gesellschaft zu meistern. Simultan zur Digitalen Transformation bahnt sich mit der Biologischen Transformation eine neue Revolution an. Sie ist mindestens von ebenso hoher, wenn nicht höherer Bedeutung als Industrie 4.0«, erklärt der Leiter des Fraunhofer- Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Professor Thomas Bauernhansl.
Soft-, Hard- und Bioware – die Bausteine für eine Neuorientierung der industriellen Wertschöpfung
Eine nachhaltige Wertschöpfung ohne Wohlstandsverluste erfordert Produktionsweisen nach dem Vorbild der Natur mit den Technologien von morgen: etwa Roboter, deren Steuerungsmodule ihre Energie über Photosynthese selbst erzeugen, oder biointelligent entwickelte Viren, die bei der personalisierten Tumortherapie eingesetzt werden, oder Mikroalgen, die mit einer selbstlernenden biointelligenten Steuerung individualisierte antioxidative Lebensmittelzutaten herstellen – die Biologische Transformation soll es möglich machen.
Zu dieser Neuorientierung der industriellen Wertschöpfung gehört wesentlich, dass wir zunehmend Materialien, Strukturen, Prozesse und Organismen der belebten Natur in der Technik nutzen. Eine solche systematische Anwendung von Wissen über biologische Prozesse führt dazu, dass Produktions-, Informations- und Biotechnologie immer mehr verschmelzen.
»Dies wird künftige Produkte, Herstellungsprozesse und unsere Lebensweise tiefgreifend verändern. Die Biologische Transformation gipfelt in sogenannten biointelligenten Systemen und den dafür notwendigen Technologien. Ihr Potenzial reicht von disruptiven Innovationen über die Modernisierung der deutschen Unternehmensund Bildungskultur bis hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise«,
ergänzt der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Dr. Markus Wolperdinger.
Von der Bionik über die Bioökonomie bis zur Biointelligenz: Vorträge decken viele Aspekte der Biologischen Transformation ab
Die Württembergische Landesbibliothek (WLB), die Fraunhofer-Institute IPA, IGB und UMSICHT sowie das Kompetenzzentrum Biointelligenz Stuttgart starteten eine gemeinsame Vortragsreihe zum Themenfeld Biointelligenz am 13. Juli 2021. Über ein Jahr lang können Interessierte an 17 Veranstaltungen zu Aspekten der Biologischen Transformation in der WLB teilnehmen. Die Vorträge beginnen an verschiedenen Wochentagen jeweils um 18 Uhr.