ETH-Forscher um Martin Fussenegger haben das erste Gen-Netzwerk entwickelt, das über Hirnströme in Gang gesetzt wird und je nach Gedanken unterschiedliche Mengen eines gewünschten Moleküls produziert. Pate stand ein Spiel, das ebenfalls Hirnströme abgreift, um damit einen Ball durch einen Hindernisparcours zu lenken.
Es klingt beinahe wie in der Weltraum-Saga «Star Wars», in der Meister Yoda dem jungen Luke Skywalker beibringt, wie man durch die Kraft der Gedanken den X-Wing Starfighter aus dem Sumpf birgt: Marc Folcher sowie weitere Forscherinnen und Forscher aus der Gruppe von Martin Fussenegger, Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften am Departement Biosysteme (D- BSSE) in Basel, haben eine neuartige Genregulationsmethode entwickelt, bei der Gedanken – respektive die spezifischen Hirnströme, die sie erzeugen – die Umsetzung von Genen in Proteine, in der Fachsprache Expression genannt, steuern.
«Es ist uns zum ersten Mal gelungen, menschliche Hirnströme abzugreifen, diese drahtlos an ein Gen-Netzwerk zu übertragen und die Expression eines Gens, je nach Art der Gedanken, zu regulieren. Die Kontrolle von Genexpression durch die Macht der Gedanken war ein Traum, den wir seit über ei- nem Jahrzehnt verfolgen», sagt Fussenegger.
Eine Inspirationsquelle für das neue durch Gedanken kontrollierte Gen-Regelwerk war das Spiel «Mindflex». Dabei trägt ein Spieler eine Art Kopfhörer mit Sensor auf der Stirn, der die Hirnströme aufzeichnet. Das registrierte Elektroenzephalogramm (EEG) wird dann in die Spielumgebung übertra- gen. Dabei kontrolliert das EEG einen Ventilator, um so einen kleinen Ball durch einen Hindernispar- cours zu lenken.
Drahtlose Übertragung auf Implantat
Das System, das die Basler Bioingenieure soeben in «Nature Communications» vorgestellt haben, besteht nun ebenfalls aus einem EEG-Kopfhörer. Die aufgefangenen Hirnströme werden ausgewertet und drahtlos via Bluetooth an einen Controller übertragen. Dieser steuert einen Feldgenerator, der ein elektromagnetisches Feld erzeugt, welches ein Implantat induktiv mit Strom versorgt.Im Implantat geht danach buchstäblich ein Licht auf: Ein integriertes LED-Lämpchen, das Licht im Nah-Infrarotbereich abstrahlt, schaltet sich an und beleuchtet eine Kulturkammer mit genetisch ver- änderten Zellen. Sobald das Nah-IR-Licht die Zellen anstrahlt, beginnen diese mit der Herstellung des gewünschten Proteins.
Gedanke steuert Proteinmenge
Das Implantat wurde vorerst in Zellkulturen und in Mäusen getestet, gesteuert durch die Gedanken verschiedener Testpersonen. In ihren Tests arbeiteten die Forschenden mit SEAP, einem einfach nachzuweisenden menschlichen Modell-Eiweiss, das aus der Kulturkammer des Implantates in den Blutkreislauf der Maus diffundiert.
Um die Menge des freigesetzten Proteins zu regulieren, mussten sich die Testpersonen in drei ver- schiedene Gedankenzustände versetzen: Biofeedback, Meditation und Konzentration. Testpersonen, welche am Computer Minecraft spielten, sich also konzentrierten, induzierten mittlere SEAP-Werte im Blutkreislauf der Mäuse, während im Zustand völliger Entspannung, also bei Meditation, sehr hohe SEAP-Blutwerte in den Versuchstieren erreicht wurden. Beim Bio-Feedback beobachteten die Test- personen das LED-Licht des Implantats im Körper der Maus und konnten durch diese visuelle Rück- kopplung ihrer Gedanken das LED-Licht bewusst möglichst lange ein- oder ausschalten. Dies wiede- rum schlug sich in wechselnden Mengen an SEAP im Blutkreislauf der Tiere nieder.
Neues lichtempfindliches Genkonstrukt
«Eine solche Gen-Steuerung ist komplett neu und in ihrer Einfachheit einzigartig», führt Fussenegger aus. Eine Neuentwicklung sei insbesondere das lichtempfindliche optogenetische Modul, welches auf Nah-Infrarotlicht reagiert. Dabei trifft das Licht auf ein modifiziertes lichtempfindliches Protein im Inneren von genveränderten Zellen und löst dort eine künstliche Signalkaskade aus, an deren Ende die Herstellung von SEAP steht. Nah-Infrarot wurde deshalb verwendet, weil es für menschliche Zel- len weitgehend unschädlich ist, tief ins Gewebe einzudringen vermag und die Funktion des Implanta- tes visuell verfolgt werden kann.
Das existierende System funktioniert im Mensch-Zellkultur- und Mensch-Maus-System einwandfrei. Fussenegger hofft, dass ein gedankengesteuertes Implantat dereinst helfen könnte, neurologische Erkrankungen wie chronische Kopf- und Rückenschmerzen sowie Epilepsie durch spezifische Hirn- ströme frühzeitig zu erkennen. Dadurch könnte die rechtzeitige Bildung gewisser Wirkstoffe in einge- setzten Implantaten ausgelöst und gesteuert werden.
Weitere Informationen:
ETH Zürich Prof. Martin Fussenegger Gruppe für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften und D- BSSE
Web: http://www.bsse.ethz.ch/
Quelle:
https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2014/11/mit-gedanken-gene-steuern.html