Was ist Frugale Innovation ?

“Doing more with less”

Downsizing: mit weniger mehr erreichen und mehr Wert schaffen bei minimalem Ressourceneinsatz.

Viele Experten definieren Frugale Innovation als ein „mit weniger mehr zu tun“ oder auch ausführlicher als die erschwingliche Nutzung von Produkten und Dienstleistungen, die unter Bedingungen der Ressourcenknappheit innoviert wurden. Frugale Innovation wird beschrieben als ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Lösung, die auch bei finanzieller, personeller, technologischer und anderer Ressourcenbeschränkungen möglich ist und bei der das Endergebnis weniger teuer ist als bei konkurrierenden Angeboten (falls verfügbar) und welche die Bedürfnisse jener Kunden erfüllt, die sonst aufgrund ihres verfügbaren Einkommens nicht bedient werden können.

Bei frugalen Innovationen geht es darum, mehr Menschen einen Mehrwert zu geringeren Kosten zu bieten. Es ist eine Denkweise der Einfachheit und extrem niedrigen Kosten, ohne die Qualität der Benutzererfahrung zu beeinträchtigen. Es geht darum, die Extras wegzulassen und einfache, robuste und weniger ressourcenintensive Produkte von guter Qualität zu liefern. Frugale Innovation ist unkonventionell, weil sie auf die unteren und mittleren Bereiche der wirtschaftlichen und sozialen Pyramide abzielt.

Frugale Innovationen entstanden ursprünglich im Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung in den Schwellenländern. Die damalige Hauptidee war, durch Downsizing bestehender Produkte und Produktionsmethoden neue, einfachere, Produkte und Produktionsweisen zu entwickeln, welche zu den Besonderheiten dieser Kulturen und Märkte passen und welche im jeweiligen Verbraucherland auch erzeugt werden können.
In Kombination mit Design Thinking ist die Entwicklung von Produkten, die sich an Menschen richten, die in Entwicklungs- oder Schwellenländern leben und arbeiten, sehr gut und effizient durchführbar. Aufstrebende Märkte wie Indien, China, Afrika und Brasilien sind inzwischen führende Regionen in den Bereichen der frugalen Innovation geworden. Globale Unternehmen betreiben eigene Innovations- und R&D-Zentren speziell in diesen Märkten und schöpfen aus den lokalen Ideen der dortigen frugalen Ingenieure und Entwickler.

Derzeit wird das Konzept frugaler Innovation nun auch in den entwickelten Märkten im Sinne von Nachhaltigkeit, Klima und Kreislaufwirtschaft mit Erfolg und grosser Zustimmung als neues Paradigma in Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft adaptiert, inkludiert und praktisch eingesetzt. Frugale Innovation hat sich zu einem wichtigen Konzept entwickelt, welches von grosser Bedeutung für multinationale Unternehmen, KMU, NGO und staatliche Organisationen geworden ist.

Seit Navi Radjou sein legendäres Buch “Jugaad Innovation” (s.u.) 2012 veröffentlichte, gibt es eine regelrechte Explosion des Interesses an frugalen Innovationen in den Industrieländern. Unternehmensführer und politische Entscheidungsträger in den USA, Europa und Japan sind begierig zu verstehen, wie man mit weniger mehr erreicht. Dies hat sie dazu gebracht grundlegend überdenken, wie sie Produkte betreiben, bauen und liefern und wie sie mehr Wert für sich und die Gesellschaft schaffen und gleichzeitig die Umwelt schonen.
Navi Radjou identifiziert die Best Practices frugaler Pioniere in den USA, Europa und Japan in allen Sektoren, einschliesslich Produktion, Einzelhandel, Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Bildung.
Navi Radjou beschreibt Unternehmen der Industrieländer, welche bereits von den Vorteilen frugaler Innovationen profitieren. Pionierunternehmen wie Aetna, Fujitsu, General Electric, GlaxoSmithKline, Pearson, PepsiCo, Renault-Nissan, Siemens und Unilever sind bestrebt, frugale Prozesse einzubetten und vor allem eine sparsame Denkweise in ihren Organisationen zu etablieren. Um Kosteneffizienz, Geschwindigkeit und Agilität zu erzielen, müssen Unternehmen ihre Innovationsmotoren in Richtung Frugaler Innovation umbauen, so Navi Radjou.

Unternehmen sehen sich durch kostenbewussten und umweltbewussten Kunden, Mitarbeitern und Regierungen aktuell einem wachsenden Druck ausgesetzt, erschwingliche, nachhaltige und gleichwohl qualitativ hochwertige Produkte zu entwickeln und zu produzieren.
Frugale Innovation ist daher aktuell nicht nur eine bahnbrechende Unternehmensstrategie, sondern ist mehr als eine Strategie: Es bezeichnet eine neue Geisteshaltung, die in Ressourcenknappheit als Chance sieht und nicht als Belastung.

Hauptmerkmale

  • Bietet „gut genug“ Leistung (nicht bessere)
  • Zielt auf Kunden am unteren Ende des Marktes
  • Verwendet ein kostengünstiges Geschäftsmodell
  • Erreicht eine erhebliche Reduktion der Gesamt-Kosten
  • Konzentriert sich auf Kernfunktionalitäten
  • Ist benutzerfreundlich und sehr einfach zu bedienen
  • Kaufpreis ist für viele Kunden im Markt sehr erschwinglich
  • Ist nachhaltig und umweltfreundlich, ökologisch, wenig Eingriff in die Umwelt, geringer CO₂-Fussabdruck
  • Ist hochgradig skalierbar, grosse Stückzahlen möglich, Gewinnsteigerung durch grosse Volumen

Frugale Innovation rekonfiguriert Wertschöpfungsketten und gestaltet Produkte neu. Es bietet einfache, funktionale Lösungen mit wenigen Ressourcen speziell für diejenigen Konsumenten, welche nur über wenige Mittel verfügen.

Frugale Innovation ist viel mehr als das Entwerfen einer billigeren Version eines bestehenden Produkts. Es erfordert eine völlig neue Denkweise, die tief eintaucht, um die wirklichen Bedürfnisse der Verbraucher am unteren Ende der Pyramide zu verstehen und dort Lücken zu finden, die in unternehmerische Chancen umgewandelt werden können.

Das Reverse-Innovation-Konzept

Wenn eine Innovation in den Entwicklungsländern entstanden ist und in den dortigen Märkten erfolgreich ist und von dort dann in die entwickelten Länder gelangt, wird sie auch als „Reverse Innovation“ bezeichnet. Die Fähigkeit zur frugalen Innovation ist somit eine Voraussetzung für Reverse Innovation.

Disruptive Low-End-Innovationen in entwickelten Märkten

Nach Clayton Christensen handelt es sich bei frugalen Innovationen um sogenannte «Low-End-Disruptionen».

Disruptive Low-End-Innovationen nutzen zum Einstieg diejenigen Marktsegmente, in denen die dort aktuell angebotenen Produkte mehr Leistung bieten, als eigentlich funktionell notwendig wären und mehr als die Konsumenten es eigentlich wünschen oder benötigen. Dort realisieren die frugalen Neu-Anbieter dann eine klassische Bottom-up-Strategie (während eine Top-down-Strategie bei den obersten Preissegmenten eines Marktes, also in den Luxussegmenten, zum Einstieg jeweils ansetzt).

Low-End Disruptoren beginnen zunächst damit, die unteren Enden des Marktes mit niedrigen Margen zu bedienen. Die dort schon im Markt aktive Unternehmen geben diesen (unteren) Teil des Marktes an sehr preisgünstige Neu-Konkurrenten zumeist kampflos ab, weil sie nicht um Transaktionen mit sehr niedrigen Margen konkurrieren wollen oder auch weil sie zu diesen Preisen einfach nicht mehr rentabel produzieren können.
Der frugale Herausforderer bewegt sich dann im nächsten Schritt weiter ein Platz nach oben im Markt und greift das preislich über ihm liegende nächsthöhere Segment an.

Literatur: Was ist Frugale Innovation?

Artikel: (c) 2020, Innovator’s Guide Switzerland


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