Die digitale Zukunft der Wald- und Holzwirtschaft

Über 80 Vertreterinnen und Vertreter der Waldwirtschaft, der Holzbaubranche, der Holzbearbeitung und –verarbeitung, der Verwaltung sowie aus Forschung und Entwicklung nahmen am 10. November 2016 an der der Fachveranstaltung «Wald und Holz 4.0» des BFH-Zentrums Holz – Ressource und Werkstoff an der BFH-HAFL in Zollikofen teil.

Vom digitalen Zwilling zur vollautomatisierten Holzernte

So eröffnete Dr. Michael Schluse von der RWTH Aachen mit seinem Referat «Industrie 4.0 – Visionen für die Wald- und Holzindustrie» den Nachmittag. Schluse zeigte einerseits auf, was Industrie 4.0 konkret bedeutet: Gesammelte Daten werden ins Internet gebracht und dort verknüpft. Dies ermöglicht neue Geschäftsmodelle. So können statt ausschliesslich eines Produkts auch Daten oder hybride Produkte, z. B. zur Holzernte oder Bodenbeschaffenheit, vermarktet werden. Anderseits erläuterte Schluse, was technisch möglich ist. Er demonstrierte anschaulich, wie «Dinge» (Forstmaschine, Mensch, Forsteinheit usw.) mittels eines digitalen Zwillings ins Internet gebracht und dort visualisiert und verknüpft werden können.

Der digitale Zwilling erfasst die Daten, die z. B. Sensoren oder Kameras an der Forstmaschine sammeln, verknüpft diese und kann eigenständig und dezentral Informationen mit anderen digitalen Zwillingen austauschen und koordinieren. So erhält ein Zwilling etwa Informationen zum aktiven Waldbestand und kann daraus wiederum Daten zur erwarteten Wertschöpfung ausgeben.

Die Geschäftsmodelle der Zukunft könnten damit wertschöpfungsübergreifende, branchenübergreifende und vollautomatisierte Prozessketten von der Forstmaschine bis zum Möbelhaus enthalten. «Die intelligente Fabrik der Zukunft arbeitet weitgehend selbstorganisierend», so Schluse.

Noch ist es aber nicht ganz so weit. Schluse wies auch auf noch ungelöste Probleme hin, wie etwa ungenügend standardisierte Datenerfassung, unterschiedliche Datenformate und unklare rechtliche Rahmenbedingungen. Was in der Waldwirtschaft bereits Realität ist, zeigte Thomas Purfürst von den Bayrischen Staatsforsten auf. Sie erfassen sämtliche Daten von der Materialverwaltung über Naturschutzkarten bis zur Beschaffenheit des Waldbestandes digital und verknüpfen diese miteinander. Mit den erfassten Daten werden beispielsweise Fahrtwege optimiert. Zukünftig soll der Wald ganzheitlich «natürlich vernetzt» werden. Dazu erhalten alle Waldarbeiter Smartphones und erfassen laufend Daten, Prof. Dr. Christian Rosset von der BFH zeigte anschliessend auf, wie Fernerkundungsdaten in der Waldwirtschaft genutzt und digital verknüpft werden können. In Kombination mit Daten von Swisstopo- und LiDAR-Daten ermöglichen die Satelitendaten Sentinel2 spannende Erkenntnisse zur auch kurzzeitigen Waldentwicklung, da sie flächendeckend erfasst, frei verfügbar, alle fünf Tage erneuert werden und hoch aufgelöst sind.

Zum Abschluss des ersten Blocks und als letzter Referent aus der Waldwirtschaft erläuterte Prof. Dr. Martin Ziesak von der BFH Projektbeispiele zur voll- oder teilautomatisierten Holzernte. Vom Erfassen von Daten über den CAN-Bus einer Forstmaschine über das zeitnahe Bereitstellen dieser Informationen via Geo-Datenbankserver und entsprechenden sofortigen Optimierungsmassnahmen bis zum selbstfahrenden Lastwagen im Holztransport: Ziesak zeigte auf, dass der Forstbereich bereits weit fortgeschritten ist im Thema Wald und Holz 4.0. Sein Fazit lautete denn auch:

«Konzepte von Wald & Holz 4.0 lassen sich ohne Mühe in der Holzernte einsetzen, daher werden forstspezifische Anwendungen von Wald & Holz 4.0 schon bald Eingang in die Praxis finden.»

Potenziale in der Holzverarbeitung

Der Schlussteil der Veranstaltung gehörte Referenten aus der Holzverarbeitung. Prof. Dr. Heiko Thömen von der BFH erläuterte die vollautomatisierte Produktion von Holzwerkstoffen durch Big Data und Prozessmodelle. Dabei hielt Thömen fest, dass bei der Produktion von Holzwerkstoffen bereits seit Jahrzehnten ein hoher Automatisierungsgrad vorhanden sei, einerseits aufgrund der hohen Produktionsvolumina, andererseits aufgrund des an sich sehr linearen Prozesses in der Plattenproduktion. Die Kombination von statistischen Modellen (die Prozessparamenter wie Temperatur, Druck usw., sowie die Platteneigenschaften, erfassen) und mathematisch-physikalischen Modellen, die das Prozessverhalten berechnen, soll dazu führen, dass Anlagen selbständig entscheiden können, wann sie was während des Produktionsprozess verbessern. Wie mit einem digitalisierten Prozess konkret Zeit eingespart werden kann, zeigte anschliessend Hartmut Marder von der Holzspur GmbH. Die von der Firma hergestellten Treppenverkleidungen können dank elektronischer Datenerfassung, digitalem Modell und damit entsprechenden sehr genauen, massgeschneiderten Treppenwinkeln sehr viel schneller ausgemessen und montiert werden, als dies mit herkömmlichen Methoden möglich ist. Dieses Zeitersparnis- und somit Kostensenkungspotenzial erläuterte zum Abschluss auch Prof. Eduard Bachmann (BFH) anhand eines KTI-Projekts im Bereich der Produktion von Kindergartenstühlen. Indem bei der Produktion der Stühle auf eine mannlos, automatisierte Montage umgestellt wird, sollen 50 Prozent der Herstellungszeit eingespart werden und grössere Flexibilität, beispielsweise nächtliche Produktion in Spitzenzeiten, erreicht werden.

Initiative Wald & Holz 4.0

Den Abschluss der Fachveranstaltung bildete der Aufruf, sich an der Initiative Wald & Holz 4.0 zu beteiligen. Die Initiative will auf den Ebenen Technologie, Produkt, Geschäftsmodell und Branchenstruktur die digitale Transformation begleiten und fördern. In das Projekt sollen rund 60 innovative Führungspersonen integriert werden, die Lösungsansätze und Instrumente entwickeln. Begleitet werden sie von branchennahen, jungen «Digital Natives», welche die Verbindung zur jüngeren Generation sicherstellen. Die Teilnehmenden erwerben fundiertes Expertenwissen, vernetzen sich mit anderen innovativen Unternehmen und sichern sich einen Wissensvorsprung.

Quelle und weitere Informationen:
Leiter BFH-Zentrum Holz – Ressource und Werkstoff
Prof. Dr. Ingo Mayer
Berner Fachhochschule, BFH-Zentrum Holz – Ressource und Werkstoff
CH-2500 Biel/Bienne 6
https://www.bfh.ch/forschung/bfh_zentren/holz_ressource_und_werkstoff.html